Heute schreibe ich über unsere Noch-Bildungsministerin, die schon allein aufgrund anderer Verfehlungen längst zurückgetreten sein müsste. Die Rede ist von Frau Dr. Annette Schavan, die das Bildungsministerium relativ unaufmerksam führt. Jedenfalls hört man abseits von Frau Schavans Person recht wenig. Was daran liegen mag, dass Bildung leider Ländersache ist – oder, wenn die Alternative Zentralstaat heißt, besser – zum Glück!
Dr. Schavan soll betrogen haben. Plagiate – das weiß ich als Student – sind böse. Bei den heutigen Zitierregeln muss man da auch ziemlich aufpassen. Sonst wird man im Extremfall gar exmatrikuliert. Gerade als Bildungsministerin geht da solch eine Verfehlung natürlich gar nicht.
Ihre Reaktion war gleichwohl zu erwarten: lieber nach Südafrika fliegen und über ihre Anwälte verkünden lassen, dass sie den Rechtsweg in Anspruch nimmt, um ihren Doktortitel zu erhalten. Dabei muss sie sich um den doch gar keine Sorge machen, besitzt sie doch schliesslich 4 Ehrendoktoren aus aller Welt.
Bis Japan, China, Israel und Ägypten ihr diese Titel infolge auch noch aberkennen, werden wohl noch ein paar Jahrzehnte vergehen. Schneller könnte es hingegen mit einem anderen Titel in Deutschland gehen: Frau Schavan lehrt seit 2009 als Honorarprofessorin Katholische Theologie an der Freien Universität Berlin. Zu Gute halten müssen wir ihr wohl, dass sie den Titel wie manch anderer nicht trägt. Ist mir jedenfalls noch nicht aufgefallen…
Das Pikante an der Aberkennung ihres wirklichen Doktor-Titels ist, dass es damals eine grundständige Promotion war. Das heisst, dass sie mit Verlust ihres Doktorgrades auch keinen Studienabschluss mehr hat. Von Bildungsministerium und Professur zurück auf Abi-Niveau – rein formal jedenfalls. Denn bei all dem sollte man nicht verkennen, dass Abschlüsse und Titel im Grunde genommen nicht viel mehr Wert sind als das Papier, auf das sie geschrieben sind.
Bildung ist ja schließlich viel mehr als Ausbildung, wie ich heute in einer sehr empfehlenswerten Festrede des Philosophie-Professors Peter Bieri gelesen habe. Die würde ich auch Dr. Dr.h.c . Dr. h.c. Dr.h.c. Dr. h.c. Annette Schavan empfehlen – auf dass sie ihre Bundesbildungspolitik danach ausrichte. Bis auf ein weitgehend gescheitertes „Deutschland-Stipendien“-Programm, dass die Umverteilung von Unten nach Oben im deutschen Bildungssystem noch weiter verschärft, habe ichnämlich nicht viel in Erinnerung. Wobei Nichtstun und die damit verbundene Rechtssicherheit ein seltenes Gut im deutschen Bildungswesen ist.
Aber zurück zu ihrem „Plagiat“: wer sich ernsthaft anmaßt, seine Doktorarbeit über das „Gewissen“ zu schreiben, der wundert sich sicher nicht um sein reines Gewisses danach. Genauer Titel ihrer Dissertation: Person und Gewissen. Studien zu Voraussetzungen, Notwendigkeit u. Erfordernissen heutiger Gewissensbildung.
Ob sie nun ein reines, gutes oder verzerrtes, schlechtes Gewissen hat weiß ich nicht. Mein Gewissen sagt mir jedenfalls, dass man sie dafür vielleicht zu Unrecht kritisiert. 30 Jahre zurück ist schließlich ein langer Zeitraum, an den man sich vielleicht nicht mehr so gut erinnern kann und wo noch ganz andere Anforderungen gegolten haben. Bei solch einem riesigen Thema scheint sie vermutlich vor allem Sekundärliteratur exerpziert zu haben, statt sich auf Primärquellen zu stützen.
Dass sie jetzt kämpft statt zurückzutreten ist aber verständlich. Im Gegenzug zu Karl Theodor zu Guttenplag scheinen ihre Verfehlungen geringer zu sein. Ihre Arbeit wurde im Gegenzug zu ihm auch nicht mit Bestnote bewertet.
Doch während es für Guttenberg für eine Rückkehr in die Politik ja noch längst nicht zu spät ist, muss sich Dr. Dr.h.c . Dr. h.c. Dr.h.c. Dr. h.c. Annette Schavan hier Sorgen machen. Ihr ganzes Lebenswerk fällt in sich zusammen. Wiegt doch so ein Betrug im wissenschaftlichen Umfeld sehr schwer, wo sie sich auch abseits vom Bildungsministerium und Honorarprofessur bewegt. Sie ist Mitglied diverser Stiftungsräte – ob Alexander von Humboldt-Stiftung, Telekom Stiftung oder Wissenschaftsstiftung Ernst Reuter. Sie sitzt im Kuratorium der Volkswagen Stiftung und ist Mitglied des Senats der Max-Planck-Gesellschaft. All diese ehrenwerten Tätigkeiten sind, sollte der Doktorgradsentzug endgültig rechtskräftig werden, wohl kaum noch zu halten sein. Ein Ehrendoktor ist schließlich ehrenwert – aber mehr auch nicht. Kann man sich nämlich auch kaufen oder sonstwie erschleichen….
Erst einmal scheint daher Dr. Dr.h.c . Dr. h.c. Dr.h.c. Dr. h.c. Annette Schavans Ziel zu sein, ihre Amtszeit noch hinter sich zu bringen. Das Gerichtsverfahren wird sich vermutlich lange genug ziehen lassen könnnen. Fraglich ist nur, ob der öffentliche Druck sie schon nicht vorher zur Aufgabe zwingt. Trotz möglichen Wahlsieges der CDU kann sie nämlich, obwohl sie als enge Freundin von Angela Merkel gilt, eine weitere Amtsperiode in hohen Gefilden der Deutschen Politik wohl abschminken. So leicht lässt sich der Wähler dann doch nicht hinters Licht führen.
Vielleicht ist es ja auch besser in den Schoß der Kirche zurückzukehren, die Sündern gerne vergibt. Als ehemalige Vizepräsidentin des Zentralkomitees Deutscher Katholiken hat sie ja auch dort noch einige Kontakte. Wie wäre es mit einer katholischen Margot Käßmann? Ob betrunken hinterm Steuer oder Plagiat macht da ja kaum einen Unterschied. Beides ist eine beachtlich dumme Leistung, die Lebensleistungen leider allzu oft zerstört.
Wollen wir hoffen, dass Dr. Dr.h.c . Dr. h.c. Dr.h.c. Dr. h.c. Frau Schavan darüber hinwegkommt. Auch für gescheiterte Politiker gibt es schließlich Posten en masse – im Falle Guttenbergs z.B. bei der EU als Berater für Internet-Geschichten. Schon vorsorgend, weil Scheitern ja ein immanentes Problem der Politik ist. Aber das wollen wir hier jetzt nicht vertiefen…