Der PoWalter und das (Un)Politische

Heute fand eine von der Fachschaft PoWalter (herzlichen Dank für die Organisation!) organisiertes Event zu unserem Studiengang statt, das den Titel „Powalter2013 – zwischen Idealismus und Pragmatismus“ trug. Es ging um die Politisierung des Politik-Studenten und die Frage, wie man das Politik-Studium am besten gestalte. Auslöser war der Artikel von Frau Florin in der ZEIT, der im gleichen Blatt von Julian Kirchherr kritisch beleuchtet wurde. Da ich niemanden so wirklich zustimme, schrieb ich damals selbst meinen im Nachinein eher peinlich-satristischen Senf zu ihr und ihm.

8 Monate später hat sich gleichwohl viel verändert. Ich werde daher noch mal meinen Senf dazu schreiben, nachdem ich die Debatte mit meiner unqualifizert-subjektiven Extrempositionsminderheitenmeinung nicht stören wollte. Denn klar ist: jeder Mensch ist anders und nimmt z.B die Arbeitsbelastung des Studiums auch völlig anders wahr. Manche müssen für ihren Lebensunterhalt komplett selbst aufkommen, während es andere einfacher haben. Und auch die Erwartungen an ein Studium und den damit verbundenen Zukunftsoptionen differiert stark.

Angefangen mit einer Podiumsdiskussion aus Professor, Studienberater, studentischem Vertreter und beruflich tätigen Alumni des Fachbereiches wurden diverse Statements gemacht, die dann teilweise aber einen doch beachtlichen ideologischen Unterbau hatten. Mit Kollektivlogik und Moralkeule aus dem Mund eines Was-Wohl sollten die Student*Innen des Fachbereiches zu mehr Engagement ermuntert werden – freilich in der Hochschulpolitik, die völlig zu Recht den meisten total gleichgültig ist oder in politischen Parteien, in denen man , falls man denn tatsächlich noch eine  genehme Partei findet, ordentlich Sitzfleisch und Laberlust mitbringen sollte. Ausgeklammert werden hingegen andere Formen des Engagements, die gerade von PoWaltern durchexerziert werden. Kaum eine Hochschulgruppe – ist mein Eindruck – könnte längerfristig überleben ohne engagierte Politik-Studenten, die sich massiv in ihnen einsetzen. Auch darüber hinaus: Engagement für Kultur und in Vereinen stärkt die Zivilgesellschaft deutlich mehr als sie durch Interventionszwangsträumerereien zu schwächen.

Der Vorwurf fehlenden Engagements kann man den meisten also kaum machen. Und selbst wenn, liegt es in der Verantwortung jedes Einzelnen nach seiner Facon glücklich zu werden. Wenn das darin besteht, bereits 4 Wochen vor der Klausur zu lernen, dann ist das eben so. Die Ausrede des Zeitmangels kann man allerdings nun wirklich nicht gelten lassen. PoWalter sein heißt eigentlich, dass jeder Tag ein Sonntag ist – um 12 Uhr aufstehen, sich 2 Stunden geistig betätigen und chillen (tatsächlich sieht er dann natürlich – freiwillig – doch anders aus). Ausgenommen die engere Klausurenphase und mögliche Referatsvorbereitungen. Kommt natürlich auch darauf an, wie ernst man sein Studium nimmt. Ich kann mir vorstellen, dass wenn man alle Vorlesungen besucht (50% wird dieses Semester knapp bei mir), alle Tutorate mitnimmt (mittlerweile gehe ich in gar keins mehr), brav alle Texte mit nicht gerade hoher Lesegeschwindigkeit liest (die Conclusions reichen mir meist) und die Veranstaltungen während des Semesters auch noch nachbereitet (?), das dann tatsächlich Zeitprobleme auftreten. Dann liegt man vielleicht tatsächlich mit seinen ECTS-Anforderungen in Einklang. Die ECTS-Diktatur, die mir vorschreiben möchte, wie viel ich für eine Veranstaltung zu lernen habe, ist ohnehin die größte Lachnummer. Statt 42 im letzen Semester hätte ich danach  wohl nicht mal die Hälfte bekommen (1 ECTS sollen 25-30 Arbeitsstunden sein, 1 Semester bringt im Normalfall ca. 30 ECTS).

Wie sich so ein nachlässiges Studium auf den Klausurerfolg auswirkt steht natürlich noch in den Sternen. Aber ich bin da ganz optimistisch nach den Erfahrungen der ersten beiden Semester. Jedenfalls kann ich Zeitmangel niemanden abnehmen, der nicht etliche Stunden pro Woche arbeiten muss. Vor allem wenn ich sehe, wie andere Studiengänge schuften müssen (Konstanz war da echt eine gute Wahl!). Woran liegt es also dann, dass die PoWalter so herrlich unpolitisch sind?

Vielleicht ist es tatsächlich Zeitmangel in anderer Hinsicht. PoWalter sind meist recht zielstrebig und wollen größtenteils auch ins Ausland. Hinzu kommt, dass das Praxissemester die Studenten aus Konstanz herausdrängt – im Vergleich zur Deutschen Botschaft in Timbuktu ist der Südkurier eben nicht mehr so sexy. Und sehr viel mehr Möglichkeiten gibt es ja auch kaum. Man ist also vielleicht 3 Semester vor Ort – anfangs meist auch ortfremd , aus ganz anderen Ecken Deutschlands stammend, mit ganz anderer Mentalität. Und jetzt kommunalpolitisch sich engagieren oder für die Hochschulpolitik? Erst braucht es Zeit sich einzuleben und respektiert zu werden, dann ist die Zeit meist schon vorbei. Und für politische Sachen wie Kommunalpolitik ist eine Zeitspanne von eineinhalb Jahren einfach viel zu kurz – wenn man gewählt wird ist man 4 Jahre an Konstanz gebunden. Kein Wunder, dass kein Student im Stadtrat sitzt. Auch das Studentenparlament, das sich an PoWalter-Mangel nun wirklich nicht beklagen muss (Pseudo-Bundestag), hat ein ähnliches Problem, obwohl hier die Amtszeit nur ein Jahr ist. Ein PoWalter, der sein Studium in der Regelstudienzeit mit Ausland durchziehen möchte, hat schlichtweg nicht die Möglichkeit, sich dort zu engagieren und darüber hinaus vermutlich auch wenig Lust, wenn er weiß, dass er vermutlich eh nicht zurückkommt.

Nun kann man natürlich sein Praxissemester verlegen, die Regelstudienzeit überschreiten (was bei uns anscheinend normal ist) und  so weiter. Das ist ja auch völlig legitim, wenn es 2-3 Semester sind. Wer mehr braucht sollte sich aber schon fragen, ob das Studium bzw. Studieren an sich denn das Richtige für ihn ist. Meist sind diese Leute die, die am lautesten nach staatlicher Alimentierung schreien und auf das Recht auf ein kostenloses Studium pochen.

Wer schnell studieren möchte, sollte aber doch nich bestraft werden. Wenn ich mein Studiun in 6 statt in 8 Semestern vollende, so habe ich eben noch die Möglichkeit einen zusätzlichen Master in einem für mich interessanten Themengebiet zu erwerben – oder ich fange halt früher an zu arbeiten – was auch immer. Das es überhaupt so etwas wie eine Regelstudienzeit gibt ist Humbug. Wer das Studium in 4 Semestern durchziehen möchte sollte das genau so machen können wie die Person, die es mit 8 Semestern etwas ruhiger angehen lassen möchte. Das hier gerne gebrachte Persönlichkeisentwicklungsargument halte ich für Unsinn. Gerade wer schnell studiert hat im viel stärkeren Maße Selbstorganisation, Zeitmanagement und Co. unter Beweis gestellt. Auch ist er  im Regelfall 2 Jahre früher in der Praxis, was der Persönlichkeit vermutlich besser tut als Party.

Aber ich schweife ab in die Unzulänglichkeiten des staatlichen Bildungssystems – daher zurück zum Thema: Idealismus und Pragmatismus waren dabei zwei Schlagworte. Aber warum sie gegensätzlich auffassen? Kann man nicht auch idealistisch und pragmatisch zugleich handeln? Ich zumindest bin der Ansicht, dass man das wunderbar verbinden kann. Eben aber nicht in der Hinsicht seinen Lebenslauf durch „künstliches“ Engagement zu pimpen, sondern eben weil man gerade durch sein Engagement seine Netzwerke aufbaut, viel über sich lernt und vor allem schnell rausbekommt, wohin die eigene Reise gehen sollte und wohin eher nicht. Ausprobieren war meine Devise und das Ergebnis ist, dass mich ziemlich viele Sachen mittlerweile ziemlich wenig reizen. Eine unproduktive Tätigkeit bei der EU (gut, der Gesetzes-Output ist schon sagenhaft) war zu Studienanfang mein Zukunftstraum. Zum Glück hat sich das erledigt.

Nicht vergessen sollte man aber auch letztlich, dass kein politisches oder sonstiges Engagement auch automatisch kein politisches Interesse bedeutet. Viele Studenten sehen die Politikwissenschaft eben auch als Wissenschaft (ich gehöre nicht dazu), die sie wertneutral (das geht eh nicht) betreiben wollen. Vielleicht wollen sie auch in die Wissenschaft oder andere Berufe und sich, wie ein Teilnehmer annmerkte, stigmatisieren lassen, was bei politischen Engagement automatisch erfolge. Manch einer hat da vielleicht Angst um seine Karriere….

Wissenschaft und Politik könne man trennen, sagte Herr Professor und führte mit Paul Krugman (aus meiner Sicht das perfekte Gegenbeispiel…) einen solchen Vertreter an. Tatsächlich sind Politik und Wissenschaft  viel zu sehr getrennt in anderer Hinsicht. Politiker fragen selten Politikwissenschaftler um Rat, vermutlich weil sie keine Zahlen in unrealistische Modelle stecken und noch unrealistischere Ergebnisse erhalten. Vielleicht ist das aber auch besser so: sonst würde die ohnehin überhand nehmende Quantifizierung der Politikwissenschaft noch schneller voranschreiten. Möglicherweise ein anderer Grund: Regressionsanalysen aufzustellen macht manchen Politikwissenschaftlern vielleicht mehr Spaß als die Frage, wofür man das eigentlich tut.

Jetzt fallen mir keine weiteren Erklärungen mehr ein, warum der normativ politisch sein sollende PoWalter positiv so unpositiv unpolitisch ist. Außer vielleicht, dass der Studiengang der Politik- und Verwaltungswissenschaften von vielen tatsächlich als BWL-light-Studium ohne Mathe (das täuscht) gesehen wird, mit dem man später ganz viel verdienen kann (meist fahren diese Leute hinterher Taxi). Und wenn die Karriereambitionen tatsächlich mit den geistigen Fähigkeiten übereinstimmen sollten, so geht es meist Richtung Wirtschaft. Das stiftet der Gesellschaft dann auch tatsächlich einen Nutzen.